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SubChem - Nachhaltige Substitution von gefährlichen Chemikalien

Gefahrstoff-Substitution - Innovation durch erfolgreiches Zusammenwirken von Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaf
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Hintergrund und Fragestellung
 
  Eine umfassende Prüfung vor der Erstvermarktung ist heute ein breit akzeptierter und rechtlich verankerter Grundsatz im Umgang mit chemischen Stoffen. In ihrem Weißbuch "Strategie für eine künftige Chemikalienpolitik" (Februar 2001) hat die EU Kommission darüber hinaus die Vorsorge und die Substitution[1] als weitere Grundprinzipien im künftigen Umgang mit chemischen Stoffen vorgeschlagen. Der Umweltministerrat hat diesen Vorschlag im Juni 2001 bestätigt und darüber hinaus festgestellt, dass die Innovation zur Entwicklung neuer Chemikalien und alternativer Technologien stimuliert werden muss.
 
  In Deutschland ist ein solches Substitutionsprinzip für gefährliche Arbeitsstoffe als "Ermittlungspflicht" des Arbeitgebers und "Ersatzstoffgebot" (§ 16 GefStoffV) bereits rechtlich verankert. Zudem ist die "Schadstoffarmut" mittlerweile zu einem relevanten Qualitätsmerkmal von Verbraucherprodukten geworden, verbunden mit einem allgemeinen Bedeutungszuwachs des Themenfeldes "Umwelt und Gesundheit" in der Politik. Den wirtschaftlichen Akteuren ist es bislang allerdings nur in Einzelfällen gelungen, das Vorsorge- und das Substitutionsprinzip zum integralen Bestandteil bei der Entwicklung von Produkten und der Gestaltung technischer Prozesse zu machen. Folgende Ursachen tragen dazu bei:

  • Noch weit über 90% des Marktes besteht aus Chemikalien, die schon seit Jahrzehnten im Einsatz sind ("Altstoffe"), keiner angemessenen Prüfung vor ihrer Erstvermarktung unterzogen wurden und die im Laufe der Zeit eine hohe Zahl von Anwendungen gefunden haben. Die umwelt- und gesundheitsbezogenen Eigenschaften dieser "Altstoffe" sind nur lückenhaft untersucht. Entsprechend schwierig ist die unternehmerische Entscheidung, den "langfristig richtigen Stoff" für einen technischen Bedarf auszuwählen.
  • Das europäische Chemikalienrecht sieht für die Markteinführung neuer Chemikalien wesentlich höhere Dokumentations- und Nachweispflichten vor als für Altstoffe. Durch das Fehlen einer verbindlichen Anpassungsfrist für Altstoffe setzt das Chemikalienrecht ökonomische Signale, die Substitutionsmaßnahmen behindern.
  • Die unternehmerische Entscheidung zwischen zwei oder mehr Alternativen bei der Substitution eines gefährlichen Stoffes sollte unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, das heißt unter ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Praxistaugliche Instrumente zur Bewertung von Stoffen mit Blick auf diese "Innovationsrichtung" sind bislang nur ansatzweise entwickelt.
  • Da es den ‚absolut sicheren Stoff' nicht gibt, sehr wohl aber jeweils ‚sicherere Alternativen', erfordert die Substitution von gefährlichen Stoffen einen dynamischen, selbsttragenden Innovationsprozess im Sinne einer ständigen Verbesserung von Produkten und Prozessen. Eine Integration dieser Aufgabe in die interne Organisation des Einkaufs, des Umweltschutzes, der Produktionstechnik und der Produktentwicklung ist bislang lediglich in wenigen Unternehmen gelungen.
  • Da chemische Stoffe bestimmte Funktionen in Prozessen und Produkten erfüllen, sind häufig die Gefahrenmerkmale des Stoffes eng mit seiner technischen Funktion verknüpft. Die Substitution erfordert daher technische und/oder organisatorische Anpassungen bei mehreren Akteuren auf den Verarbeitungsketten, das heißt, ein innovationsfähiges System von Akteuren.
 
  Im Rahmen des Förderschwerpunktes "Integrierter Umweltschutz - Rahmenbedingungen für Innovationen zum nachhaltigen Wirtschaften (RIW)" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zielt das Forschungsprojekt "Gestaltungsoptionen für handlungsfähige Innovationssysteme zur erfolgreichen Substitution gefährlicher Stoffe" darauf ab, Strategien und Maßnahmen zu identifizieren, mit Hilfe derer die oben skizzierten Innovationshemmnisse abgebaut werden können.
 
 
Dabei sollen im wesentlichen drei Fragestellungen beantwortet werden:
 
 
  1. Innovationsrichtung: Mit welchen Bewertungsansätzen und -instrumenten kann es den Wirtschaftsakteuren gelingen, größere "Richtungssicherheit" bei der Elimination gefährlicher Stoffe zu erlangen?
  2. Risikomanagement: Unter welchen Bedingungen und mit welchen Maßnahmen kann die Integration der Substitutionsaufgabe in die interne Organisation der Unternehmen sowie entlang der Wertschöpfungskette gelingen?
  3. Innovationsfähigkeit: Welche Rahmenbedingungen sind für die Herausbildung innovationsfähiger Akteurskonstellationen günstig? Wie können wirtschaftliche, staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure in erfolgreichen Innovationssystemen optimal zusammen wirken?
 
   
Durchführung
   
  Das Projekt wird im Verbund von drei Hamburger Forschungseinrichtungen durchgeführt, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg FB Maschinenbau und Produktion, ÖKOPOL - Institut für Ökologie u. Politik GmbH, Kooperationsstelle DGB-Gewerkschaften Hochschulen. Die Forschungsarbeiten werden in Kooperation mit dem Verband der Deutschen Chemischen Industrie (VCI) und bestimmten Chemie-Fachverbänden (zum Beispiel TEGEWA) sowie Verbänden der gewerblichen Chemieanwender (zum Beispiel Textilveredler Verband [TVI] oder NORDMETALL) sowie insbesondere mit einzelnen Partner-Unternehmen durchgeführt. Die Projektlaufzeit beträgt 2,5 Jahre - Frühjahr 2001 bis Ende 2003.
 
   
Methode und Arbeitsschwerpunkte
   
  Aus der Analyse von Fällen erfolgreicher, gescheiterter oder aktuell zur Diskussion stehenden Substitutionen[2] sollen auf der Basis einer Typologie erfolgreicher Innovationssysteme Empfehlungen für die Gestaltung von Politikstilen, Regulierungsmustern, Managementsystemen, Beteiligung von Anspruchsgruppen und Akteurskonstellationen abgeleitet werden. Die Informationssammlung erfolgt über Literaturauswertung und Gespräche mit den beteiligten Akteuren. Um Richtungssicherheit im Innovationsprozess zu gewinnen, ist die Bewertung der Ausgangsstoffe und der Substitute unter Nachhaltigkeitsgesichtpunkten erforderlich. Die dafür bisher bestehenden metho-dischen Ansätze sollen im Forschungsvorhaben weiter entwickelt werden, insbesondere im Hinblick auf die Integration und Operationalisierung von Nachhaltigkeitskriterien und (öko-) toxischen Wirkungsrisiken.

An allen Arbeitsschritten sind die Verbände (Transferpartner) und Unternehmen (Praxispartner) über Workshops und Informationsveranstaltungen beteiligt.
   
   
Kontakt
 
 
 
 
 
 
  [1]Das Substitutionsprinzip ist bislang auf EU Ebene nicht definiert. Als Arbeitsdefinition schlagen wir vor: Identifikation und Ersatz (emissionsrelevanter) gefährlicher Stoffe durch risikoärmere (inhärent sicherere) Alternativen als Managementaufgabe im Rahmen des betrieblichen Umwelt- und Gesundheitsschutzes, der Produktsicherheit sowie der Produktentwicklung. [zurück]
 
  [2] Es ist vorgesehen etwa zehn gut dokumentierbare Fälle im Hinblick auf fördernde und hemmende Faktoren zu analysieren. Anschließend erfolgt die vertiefende Untersuchung von zwei aktuellen Innovationsfeldern. Dafür stehen Textilhilfsstoffe, UV-Druckfarben, Kunststoffadditive, Metallreinigung und Oberflächenveredelung sowie Dekorationsfarben und Lacke in der engeren Auswahl. [zurück]